850J-urkunde-header01

Roland Volkmer

Die Urkunde vom 19. Februar 1166

Am 19. Februar 1166 fertigte der Kölner Erzbischof Rainald von Dassel eine Urkunde aus, in der eine „villa Aldendorpe“ erwähnt wird. Der Name Aldendorpe ist nicht selten, aber hier können wir sicher sein, dass es sich tatsächlich um die erste urkundliche Nennung des heutigen Burgaltendorf handelt. Warum? Der Inhalt der Urkunde von 1166 legt dies zwingend nahe:
Die Bauern in Niederwenigern, Dahlhausen, Eiberg und Mecklenbeck (bei Steele) lieferten im frühen Mittelalter einen Zehntanteil ihrer Ernte an eine Kölner Stiftskirche, Mariagraden. Etwa um 1150 gewährte ihnen der Erzbischof Arnold I von Köln das Privileg, statt Naturalien, also Korn, Kleinvieh und Früchten, einen bestimmten Geldbetrag zu einem festgelegten Termin nach Köln zu bringen, nämlich viereinhalb „Talente“ (= mittelalterliche Gewichtseinheit) in Dortmunder Münze. Das ging so mehr als 20 Jahre. Dann reichten die Stiftsherren bei dem neuen Erzbischof Rainald Klage gegen die Bauern ein. Sie wollten das Privileg beseitigt haben, weil es, so behaupteten sie, durch Betrug erworben und erschlichen sei, und die Bauern sollten ihre Abgaben wieder in Naturalien abliefern.
Rainald löste das Problem ganz praktisch mit Vorteilen für beide Seiten: Die Bauern durften, dank eines neuen Privilegs, das Rainald ihnen gewährte, weiterhin in Geld zahlen, allerdings mit nunmehr fünf Talenten etwas mehr als bisher, dazu Kleinvieh und Früchte. Die neue Geldmenge entsprach ungefähr 2,5 kg Silbermünzen.
Und an dieser Stelle kommt Aldendorpe ins Spiel:

850Jahre-burgaltendorf-urkunde_small_01

Quelle: HAStK: Best. 251 Mariengraden, U K/9

In der Urkunde heißt es im Originaltext auf Lateinisch:
Nos igitur huic discordiae consilio venerabilium priorum sanctae coloniae hac dispensatione silentium imposuimus ut predicti homines cum his decimis, quae sunt in villa aldendorpe in pactum solventes decano et ecclesiae s. Mariae ad gradus predicto die in colonia V talenta tremoniensis monetae pro annona et insuper minorem decimam annuatim persolvant.Übersetzung:
Wir ( d.h. Erzbischof Rainald) also haben auf Rat der ehrwürdigen Vorsteher des heiligen Köln durch diese Entscheidung auf diesen Streit Schweigen gelegt, dass die vorgenannten Menschen, indem sie zusammen mit den Zehnten, die auf dem Dorf Aldendorpe liegen, Pacht zahlen, dem Dekan und der Kirche St Maria ad gradus am vorgenannten Tag in Köln 5 Talente Dortmunder Münze für die Jahresabgabe an Korn und darüber hinaus den kleinen Zehnten jährlich zahlen.

 

Wenn die Bauern aus Niederwenigern, Dahlhausen, Eiberg und Mecklenbeck auch die Abgaben aus Aldendorpe in Geldform mit nach Köln nehmen sollten, kann Aldendorpe nur in direkter Nachbarschaft liegen, also dort, wo jetzt Burgaltendorf liegt, zwischen Niederwenigern und Dahlhausen.
Im Rahmen der Vorbereitung des Dorfjubiläums hat sich, angeregt durch Rolf Siepmann vom Heimat- und Burgverein, ein neues Burgaltendorfer Heimatforscher-Team dieser Urkunde aus heutiger wissenschaftlicher Sicht und mit den heute möglichen Methoden der Recherche angenommen: Petra Meuwsen hat in Erfahrung gebracht, dass das Original unserer Urkunde, das seit dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs in 2009 als verloren galt, doch gerettet wurde und auf ihre Initiative hin nun kurzfristig restauriert wird. Sie hat außerdem heraus gefunden, dass, mit Urkunden belegbar, der Aldendorper Zehnt bis in das 20. Jahrhundert nachgewiesen werden kann. Roland Volkmer hat seine Kenntnisse als pensionierter Latein- und Geschichtslehrer eingebracht und sowohl die Transkription der mittelalterlichen Urkundenschrift (= „Diplomatische Minuskel“) als auch die Übersetzung nach heutigem Stand des Wissens vorgenommen. Dieter W. Ullerich arbeitet das zeitgenössische Umfeld und die bisherige historische Rezeption der Urkunde auf. Dieter Bonnekamp bringt die weitreichenden und breitgestreuten Kenntnisse seiner eigenen langjährigen Dorfgeschichtsforschung ein.

Damit kann in den nächsten Wochen kompetent den Fragen nachgegangen werden, die sich nun stellen und die einige Spannung versprechen:

  • Warum wird nur Aldendorpe mit dem Zusatz „villa“ genannt?
  • Warum taucht erst jetzt, also 1166, Aldendorpe plötzlich bei der Neuordnung der Abgaben für das Kölner Stift auf?
  • Wer war Lehnsherr der beklagten Bauern – und Aldendorpes?
  • Was hatten die vier – mit Aldendorpe fünf – Dörfer mit der Kölner Stiftskirche (Mariagraden) zu schaffen?
  • Warum klagten die Stiftsherren, nachdem sie offenbar über 20 Jahre mit der Geldzahlung zufrieden waren?
  • Warum waren so viele hochrangige Geistliche und Fürsten bei der Verhandlung anwesend?

Eine vollständige Umschrift und Übersetzung mit der notwendigen Kommentierung und Interpretation wird von Roland Volkmer derzeit auf der Basis der von Petra Meuwsen und Dieter W. Ullerich recherchierten Materialien erarbeitet.

Dabei wird auch eine Menge Fehler zu beseitigen sein. Sie haben sich bei der Deutung der Urkunde in den letzten 250 Jahren eingeschlichen und werden hartnäckig bis in die heutige Zeit weitergereicht und zitiert – zurückzuführen sind sie meist auf Lesefehler bei der Umschrift der Urkunde und auf unzureichende Beachtung des lateinischen Textes oder durch die unkritische Übernahme von Behauptungen oder Interpretationen früherer Veröffentlichungen aus dem 19. und 20. Jahrhundert.
Hier wartet noch eine Menge höchst interessanter Arbeit auf die Burgaltendorfer Heimatforscher. Fachliche Unterstützung ist ihnen übrigens immer willkommen.